Lesegottesdienst Sonntag Misericordias Domini (Bickelhaupt)

Sonntagspsalm - Psalm 23

Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. 2 Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. 3 Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. 4 Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. 5 Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. 6 Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.


Predigt zu 1 Petr 2,21b-25 und Psalm 23

Da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen hat, sollt ihr nachfolgen seinen Fußtapfen; 22 er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; 23 der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet; 24 der unsre Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. 25 Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.  (1 Petr 2,21b-25

 

Liebe Leser/innen,

heute feiern wir in der österlichen Festzeit den sogenannten Hirtensonntag, leicht zu erkennen am Wochenpsalm 23, der sehr bekannt ist und in früheren Zeiten noch von jeder Konfirmandin und jedem Konfirmanden auswendig gelernt werden musste.

 

In den ersten christlichen Gemeinden war das Bild von Jesus als dem Hirten ein weit verbreitetes – nicht nur sprachlich. Man fand es gemalt und gezeichnet an vielen Stellen, an denen sich Christen aufgehalten hatten. Es war eines der urchristlichen Symbole in einer Ära, in der es das Zeichen des Kreuzes noch keine Rolle spielte.  

 

In unserem Predigttext heute kommt nach einem langen kognitiven Aufzählung der jesuanischen Taten und Eigenschaften das Wort Hirte erst im letzten Satz vor – und zwar in der schönen Kombination mit Seele: Jesus als Hirte unserer Seelen. Im ersten Teil des Textes höre ich irgendwie den unangenehmen schulmeisterlichen Unterton: DAS MÜSST IHR WISSEN, LERNEN UND GLAUBEN! Nach den theologischen Weisheiten dieses Absatzes, der eine gewisse Schwere bei mir erzeugt, lässt mich hingegen der letzte Satz aufatmen - da höre ich einfach: HABT KEINE ANGST UM EURE SEELE!

 

Der Hirte meiner Seele – „er weidet mich auf einer grünen Wiese und führt mich zum frischen Wasser“, so heißt es in Psalm 23. Und ich denke daran, wie gut es mir tut, im Grünen zu sein. Aufs Fahrrad zu steigen, hinauszufahren an die neue Donau, das Wasser beim Schwimmen zu spüren. Oder die Wanderschuhe anzuziehen, um einen der zahlreichen Wanderwege an Rax und Schneeberg zu erkunden. „Er erquicket meine Seele.“ Mach ich mir eigentlich bewusst, dass ich diese Geschenke der grünen Aue und des frischen Wassers dem Hirten meiner Seele zu verdanken habe? Oder nehme ich diese Freude, die immer wieder Teil meines Lebens ist, einfach nur als selbstverständlich hin?

 

Die andere Seite - auch mein Leben - liegt jenseits der grünen Auen; sind meine Irrgänge. Manchmal weiß ich nicht so recht, was ich tun soll, meine Seele schwirrt umher zwischen den Aufgaben, die zu erledigen sind und den Träumen, die nicht geträumt werden können, sollen oder dürfen. Da rattert der Verstand, macht Pläne und kommt doch zu keinem befriedigenden Ergebnis. Die Welt wäre eben noch zu retten, 20 Anrufe zu erledigen, 10 Texte zu schreiben und, ach ja, da sind ja auch noch die Schüler/innen in der Schule und 30 E-mails - Lust habe ich eigentlich zu gar nichts. „Wie die irrenden Schafe“ wart ihr, so schreibt der Petrus in seinem Brief. Ich „war“ nicht nur so, ich "bin" es auch heute immer wieder einmal – ein irrendes Schaf eine irrende Seele, getrieben, beunruhigt, unzufrieden.

 

Aber „er führet mich auf rechter Straße um seines namens Willen“, lese ich im Psalm. Und ich denke: Nein, der Hirte meiner Seele ist sicherlich kein Führer im Sinne eines Generals, der seiner Armee die Marschroute vorgibt, bei der es kein Links und kein Rechts gibt. Manchmal sitzt mein Hirte vielleicht einfach da, am Wegesrand und schaut mir eine Weile zu bei meinen Irrungen. Aber selbst das beruhigt mich. Ich spüre, er passt dennoch auf mich auf und wird im rechten Moment da sein, um mich wieder auf „die rechte Straße“ zu bringen.       

 

Selbst das finsterste Tal sollte mich nicht schrecken können. Aber war ich da überhaupt schon, im finsteren Tal? Wie tief war meine Seele schon im Keller? Ich schaue mich um und sehe Menschen, die schwere gesundheitliche und existenzielle Krisen haben und zweifle. Aber ich komme bei diesen Gedanken nicht weiter. Die Stärke eines inneren Seelenleidens lässt sich nicht so einfach erfassen an äußeren Umständen und schon gar nicht vergleichen – jeder leidet anders, die gleiche Situation kann beim Einen zur schweren Depression führen, beim Anderen zu einer leichten Erschütterung. Und ja, ich habe auch schon finstere Täler erlebt, denke ich, und durfte erfahren, das sein „Stecken und Stab“ mich getröstet haben; dass der Hirte meine Seele behütet hat. Denn meine inneren und äußeren Gegner haben bisher nicht die Oberhand gewonnen, immer wieder durfte ich spüren, dass mir „voll eingeschenkt“ wurde und ich satt werden konnte „im Angesicht meiner Feinde“.

 

So will ich denn auch hoffen, dass „Gutes und Barmherzigkeit mir folgen werden ein Leben lang“ und ich „im Haus Gottes (=Familie Gottes) bleiben werde“. „Folgen?“ – hier stutze ich kurz. Und dann denke ich: JA, es geht wohl nicht darum, dass immer alles nur permanent Gut ist und mir in jedem Moment Barmherzigkeit widerfahren wird. Vielmehr stelle ich mir vor, dass der Hirte meiner Seele, hinter mit her geht, mir eben folgt und das seine Güte und Liebe immer in der Nähe sind – auch, wenn ich sie auf manchen Wegstrecken nicht so direkt spüre.

 

Und dann denke ich an ihn selbst, an Jesus den Hirten – was hat er alles durchgemacht: völlige Mittellosigkeit, Ohnmacht, Verspottung, Verrat, Verleugnung, Folter, Tod – das ganze Programm, eigentlich fehlt bei den Übeln menschlichen Lebens nur noch schwere Krankheit. Er weiß also genau, wie es mir manchmal geht, wenn er da so am Wegesrand sitzt und mich beobachtet oder mir mit Güte und Barmherzigkeit folgt, mein Leben lang. Es ist ihm nicht fremd, dass meine Seele sich gelegentlich verirrt und auch durch finstere Täler wandert.

 

Wo aber war eigentlich sein Hirte damals – wo war Gott - als Jesus selbst im Dunkeln wandelte? Keine Ahnung, aber auf jeden Fall war er am Ende da, denn seine Seele ging nicht verloren, auch Jesus sind Güte und Barmherzigkeit gefolgt und er durfte bleiben im Hause des Herrn, konnte auferstehen, um uns zu behüten. Und deshalb schreibt Petrus in seinem Brief: HABT KEINE ANGST UM EURE SEELEN, den ihr habt einen Bischof und Hirten, der für eure Seelen sorgt.      


Und wer gerne zu Hause aus dem Gesangbuch etwas mitsingen möchte: hier noch der Choral EG 274:

Gebet

 

Guter Gott, gerade in dieser Zeit gibt es viele Menschen, die sich als unsere "Hirten" ausgeben. Sie locken mit dem Versprechen, unseren Wohlstand zu schützen, uns die Wahrheit zu sagen, das Rezept für alle Probleme zu haben und als einzige Bescheid zu wissen.      

Wir bitten dich um innere Weisheit und einen wachen Geist, damit wir unterscheiden lernen zwischen denen, die als falsche Hirten daher kommen und dem Hirten unserer Seelen, Christus.

Lass uns den wahren Hirten erkennen, damit er uns führen, leiten und trösten kann, was immer uns auch im Leben begegnet.                                     Amen 



Der mütterlich-väterliche Gott sei dir nahe in allem, was dir begegnet auf dem Weg des Lebens.

 

Er umarme dich in Freude und Schmerz und lasse aus beidem Gutes wachsen.

 

Ein offenes Herz schenke er dir für alle, die deiner bedürftig sind. Selbstvertrauen und den Mut, dich verwunden und heilen zu lassen.

 

In aller Gefährdung bewahre er dir Seele und Leib und lasse dein Leben gelingen.

 

Einen gesegneten Sonntag im Sinne dieser Worte von Sabine Naegeli wünscht Ihr/Euer Michael Bickelhaupt


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