Lesegottesdienst Sonntag Kantate (Schiemel)

Sonntagspsalm  -  Psalm 98

1 Ein Psalm. Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er schafft Heil mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm. 2 Der HERR lässt sein Heil verkündigen; vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar. 3 Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel, aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes. 4 Jauchzet dem HERRN, alle Welt, singet, rühmet und lobet! 5 Lobet den HERRN mit Harfen, mit Harfen und mit Saitenspiel! 6 Mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor dem HERRN, dem König! 7 Das Meer brause und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen. 8 Die Ströme sollen in die Hände klatschen, und alle Berge seien fröhlich 9 vor dem HERRN; denn er kommt, das Erdreich zu richten. Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker, wie es recht ist.


Predigt über 2. Chronik 5, 2 - 14

2 Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion. 3 Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat ist. 4 Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf 5 und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten. 6 Aber der König Salomo und die ganze Gemeinde Israel, die bei ihm vor der Lade versammelt war, opferten Schafe und Rinder, so viel, dass es niemand zählen noch berechnen konnte. 7 So brachten die Priester die Lade des Bundes des HERRN an ihre Stätte, in den innersten Raum des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Cherubim, 8 dass die Cherubim ihre Flügel ausbreiteten über die Stätte der Lade. Und die Cherubim bedeckten die Lade und ihre Stangen von oben her. 9 Die Stangen aber waren so lang, dass man ihre Enden vor dem Allerheiligsten sah, aber von außen sah man sie nicht. Und sie war dort bis auf diesen Tag. 10 Und es war nichts in der Lade außer den zwei Tafeln, die Mose am Horeb hineingelegt hatte, die Tafeln des Bundes, den der HERR mit Israel geschlossen hatte, als sie aus Ägypten zogen. 11 Und die Priester gingen heraus aus dem Heiligtum – denn alle Priester, die sich eingefunden hatten, hatten sich geheiligt, ohne dass man auf die Abteilungen geachtet hätte –, 12 und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. 13 Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, als das Haus des HERRN, 14 sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.

 

Es gibt in der biblischen Geschichte Ereignisse, die so bedeutend waren, dass sich die Menschen über Jahrhunderte mit ihnen beschäftigten, sie immer wieder neu für sich deuteten. Ein ganz besonderer Meilenstein war die Planung, Erbauung und Einweihung des Tempels in Jerusalem. Darüber lesen wir  -  in der bekannteren Version -  im 1. Buch der Könige. Einige Generationen später schreibt der Verfasser der Bücher Chroniken noch einmal über diese beeindruckenden Vorgänge.

 

Der Tempel wird entworfen, errichtet und schließlich fertiggestellt. Die Einweihungsfeier beginnt. Die Bundeslade, eine prachtvolle Kiste, in der sich die Tafeln mit den zehn Geboten befunden haben sollen, zieht aus der Stiftshütte, ihrer vorübergehenden Behausung, um ins Innerste des Tempels, ins Allerheiligste. Dort soll sie dann für immer bleiben. König Salomo opfert, die gesamte Priesterschaft ist feierlich versammelt.

 

Soweit stimmen die Versionen in 1. Könige und 2. Chronik überein. Dann schildert der Chronist allerdings etwas, das ihn besonders zu interessieren scheint. „Alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen, und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen.“

 

Offensichtlich waren Gesang und Musik im Gottesdienst besonders wichtig in der Zeit, als der Chronist die Geschichte der Könige Israels und Judas nach der Zeit des Babylonischen Exils neu erzählt. Er reagiert dabei auch auf Fragen, die seine eigene Zeit stellt. Der zweite Tempel wurde 515 vor Christus eingeweiht und hatte nicht den Glanz des ersten. Die Lebenssituation der Rückkehrer war geprägt von Unsicherheit. Die Gemeinde musste sich erst neu finden. Ob deshalb der  -  musikalische  -  Lobpreis Gottes mehr in den Blick gekommen ist? Der Dienst der Leviten als Musiker und Sänger, eingesetzt für Lob- und Danklieder oder als Chor für den Wechselgesang, wird im chronistischen Geschichtswerk besonders hervorgehoben. Brauchen Zeiten äußerer Unsicherheit mehr Lob Gottes?

 

Brauchen wir in schweren Zeiten mehr Musik? Schauen wir zuerst, wie es dem gewaltigen Ensemble bei der Einweihung des Tempels ergangen ist, was es bewirkt oder befördert hat. „Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den Herrn lobte: „Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währet ewig,“ da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, als das Haus des Herrn, sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllt das Haus Gottes.“

 

Hundertzwanzig Bläser und zweihundertachtundachtzig Sänger haben eine gewaltige Stimme ergeben. Bestimmt waren die Musiker gut ausgebildet und hatte lange geprobt. Da hätte es doch der eine oder andere besonders gut meinen und mit einem kleinen Extra, einem Solo, einer Koloratur hervortreten können. Es blieb aber bei einer nie dagewesenen Harmonie. Das ist wirklich erstaunlich, da die riesige Musikgruppe aus Priestern und Leviten bestand. Zwischen diesen Berufsständen gab es eine Hierarchie, die Priester waren etwas Besseres, die Leviten durften nur weniger geachtete Dienste versehen. Immer wieder wird von Spannungen und Streitereien berichtet. Beim Einzug der Bundeslade aber sind diese Unstimmigkeiten nebensächlich. Die verschiedenen Amtsträger, die unterschiedlichsten Individuen vereinen sich zu einer Stimme zur Ehre Gottes.

 

„Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währet ewig“ lautet die Botschaft der Musizierenden. Es ist eine frohe Botschaft. Das wichtigste, was über Gott zu sagen ist, was unbestritten gilt. „Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währet ewig.“ Auf das überwältigende Lob Gottes folgt etwas Wunderbares. Es scheint, als hätte die Klangwolke eine irgendwie wahrnehmbare Wolke als Zeichen der Gegenwart Gottes herbeigerufen.

 

Für uns ist dieses Bild vielleicht etwas fremd, da wir damit rechnen, dass Gott immer und überall gegenwärtig ist. Die Israeliten stellten sich vor, dass sie Gottes Gegenwart wie ein Naturphänomen begleitet. Während der Wüstenwanderung zog sie als Feuer- oder Rauchsäule vor dem Volk Israel her. Schließlich findet die Gegenwart Gottes im Tempel in Jerusalem ihre Heimat, breitet sich bei der Einweihung so sichtbar aus, dass die Priester keinen Platz mehr haben. Ob die vielen Musiker die Gegenwart Gottes herbeigesungen haben oder ob sich diese auch ohne große Inszenierung eingestellt hätte, wird nicht erzählt. Auf jeden Fall entspricht der gewaltige Gesang der Würde und Erhabenheit Gottes.

 

Was kann uns am Sonntag Kantate diese wenig bekannte Bibelstelle sagen? Ich nehme für mich mit, dass Singen verbinden und versöhnen kann. Priester und Leviten, die sonst wenig Interesse füreinander hatten, sind bei der Einweihungsfeier des Tempels auf ein gemeinsames Ziel fokussiert. Gemeinsam arbeiten sie an der großen Harmonie zur Ehre Gottes. Auch ich kann beim Singen im Gottesdienst von mir absehen, mich mit den Mitfeiernden verbunden fühlen, ihnen danach vielleicht mit mehr Geduld und Freundlichkeit begegnen.

 

Singen verbindet und versöhnt. Singen bringt in Einklang. Ich komme in Einklang mit anderen. Und ich komme in Einklang mit mir selbst. Ich spüre meinen Dissonanzen nach, manche halte ich aus, andere bringe ich zusammen. Ich weiß mich geborgen und verbunden, mit der Welt und mit Gott. Es gelingt mir nicht immer. Es ist nicht machbar, aber manchmal wird es mir geschenkt: Beim Singen erfahre ich die Gegenwart Gottes. Gott ist da, hörbar und spürbar. Gott klingt in mir. Und ich darf antworten, darf aus frohem Herzen das zeitlose Bekenntnis sprechen: „Gott ist gütig, und seine Barmherzigkeit währet ewig." Amen


Barmherziger Gott,

gerade in diesen Zeiten sehnen wir uns

nach Trost und Stärkung.

In der Musik, in Liedern und Melodien

können wir finden,

was uns gut tut.

Wir danken dir dafür.

Danke, dass du uns nahe bist.

Wir bitten dich,

lass uns bald wieder gemeinsam singen,

von unseren Freuden und Sorgen,

vor allem aber dir zur Ehre.

Amen



Mit Gottes Segen gehen wir in diesen freundlichen Tag und in die neue Woche. Der Herr segne dich und behüte dich. Er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.

Eine Woche unter Gottes Schutz und Segen wünscht Eure/Ihre Pfarrerin Edith Schiemel

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